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Wie entstand die Positive Psychologie?
Die Psychologie beschäftigte sich im letzten Jahrhundert neben Grundlagenforschung vor allem damit, wie psychisch kranke Menschen wieder ein funktionierendes Leben haben können. Vereinfacht gesagt, wie Menschen von -5 wieder auf 0 kommen. Diese wichtige Forschung führte zu großen Fortschritten in der Behandlung psychischer Erkrankungen.
Der komplementäre Aspekt wurde jedoch völlig vernachlässigt: Was kann die Psychologie für die vielen gesunden Menschen tun? Wie können sich Menschen von 0 auf + 5 oder von +3 auf +8 entwickeln? Wie können Menschen glücklicher und zufriedener sein und was können Sie tun, damit aus einem funktionierenden Leben ein großartiges Leben wird?
1998 ist in diesem Zusammenhang ein historisches Jahr. Denn in diesem Jahr forderte Martin Seligman in einer Grundsatzrede dazu auf, künftig auch die positiven Seiten des Lebens zu erforschen. Martin Seligman zählt zu den bekanntesten und anerkanntesten Psychologieprofessoren weltweit und war damals frisch gewählter Präsident des einflussreichen amerikanischen Psychologenverband APA. Das war die Geburtsstunde der Positiven Psychologie.
Hierdurch vervielfachten sich in den letzten zwei Jahrzehnten die Forschungsbemühungen und wir haben heute die Möglichkeit, auf diese großartigen Erkenntnisse zurückzugreifen und sie in der Praxis anzuwenden.
Welche Fragestellungen untersucht die Positive Psychologie?
Der Positiven Psychologie geht es bspw. um die Beantwortung von Fragen wie:
- Was lässt Menschen glücklicher und zufriedener werden und welche Faktoren haben keinen Einfluss auf unser Wohlbefinden?
- Welche Arbeitsbedingungen führen zu den erfolgreichsten und gleichzeitig zufriedensten Mitarbeitern?
- Wie können Unternehmen und Belegschaften davon profitieren?
- Wie kann die Resilienz von Mitarbeitern gesteigert werden?
- Was führt zu langfristig erfolgreichen Beziehungen und Partnerschaften?
- Wie können Menschen ihr Leben nach ihren Stärken ausrichten, sowohl im Beruf als auch privat?
- Wie entsteht psychische Gesundheit (sogar inmitten widriger Verhältnisse)?
Entscheidend ist auch, dass die Positive Psychologie andere Fragen stellt. Statt beispielsweise zu fragen, welche schwierigen Faktoren eine Depression begünstigen, fragt die Positive Psychologie danach, was Menschen anders machen, die in solchen schwierigen Situationen sind und gestärkt daraus hervorgehen. Sie fragt beispielsweise danach, was dazu führt, dass Gruppen einen Teamflow erleben und Höchstleistungen vollbringen und was Menschen aufblühen lässt. Der Fokus der Fragen ist auf das Gelingen gerichtet.
Wem nützt die Positive Psychologie?
Die Positive Psychologie nützt
- Menschen: Sie erreichen mehr Wohlbefinden, Lebensfreude und -zufriedenheit. Sie können ihr Leben mit der Unterstützung der Positiven Psychologie nach ihren Vorstellungen ausrichten.
- Unternehmen: Sie können eine evolutionäre Unternehmenskultur aufbauen, eine Arbeitswelt, in der sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl fühlen, wertgeschätzt werden und als Menschen so sein können, wie sie sind. Eine Zusammenarbeit, in der sie das Beste in ihnen zum Ausdruck bringen können, zum Wohle aller agieren und gerne arbeiten. Die Erfahrungen zeigen, dass solche Unternehmen dadurch „ganz nebenbei“ auch wirtschaftlich viel erfolgreicher werden.
- Weiteren Organisationen: Verbände, Vereine und Kammern können aus dem Erkenntnisschatz der Positiven Psychologie profitieren und ihre Mitglieder zukunftsweisend beraten.
- Schulen: Es gibt bereits Forschungen der Positiven Psychologie zu einer Weiterentwicklung der Schulen und erste Ansätze national (z.B. das Schulfach Glück) als auch international. Hier könnte die Zukunft eine Lernkultur sein, die die Stärken der Kinder betont und nicht die Fehler. Eine Lernkultur, die Kinder stark, selbstbewusst und gleichzeitig sozial werden lässt. Es geht dabei nicht mehr nur um die Vermittlung von Wissen, sondern darum, dass junge Menschen, das Beste, was in ihnen steckt, entwickeln können.
- Coaching und Psychotherapie: Auch hier halten aktuell die Erkenntnisse der Positiven Psychologie starken Einzug und bereichern die Möglichkeiten, um Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Es gibt noch einen langfristigen Nutzen. Aus der Forschung wissen wir, dass Glück und gute Stimmung ansteckend sind. Die Vision von Norbert Heining ist, dass die Zahl der Menschen und die „Inseln“ in der Arbeitswelt immer mehr zunehmen und andere inspirieren und anstecken. Je mehr hier in Bewegung kommt, umso mehr profitiert auch unsere Gesellschaft als Ganzes davon.
Welche Missverständnisse können entstehen?
Missverständnis 1: Es geht nur um die positiven Gefühle und darum, jederzeit happy zu sein. Falsch: Die Positive Psychologie untersucht auch die negativen Gefühle und deren Bedeutung für unser Leben. Allerdings stellt sie andere Fragen. Sie fragt nach den Aspekten, mit deren Hilfe wir besser mit negativen Gefühlen umgehen und schneller und noch stärker aus schwierigen Phasen hervorgehen können.
Missverständnis 2: Das ist doch positives Denken. Falsch: Nur die Begriffe klingen ähnlich. Positives Denken meint vereinfacht: „Glaube ganz fest an etwas und blende alles andere aus, dann erfüllt es sich.“ Die Positive Psychologie ist eine Wissenschaft. Sie weiß, dass positive wie negative Aspekte zum Leben gehören und blendet deshalb nichts aus. Sie erforscht jedoch die Wirkfaktoren, die dazu führen, dass Menschen selbst aus widrigen Verhältnissen gestärkt hervorgehen, wie wir erfolgreich mit negativen Gefühlen umgehen und was dazu führt, dass Menschen erfolgreich, zufrieden und glücklich werden.
Missverständnis 3: Wenn ich keine negativen Gefühle habe, bin ich automatisch glücklich. Falsch: Die Abwesenheit von negativen Gefühlen heißt nicht, dass wir automatisch ein glückliches Leben haben. Die Positive Psychologie zeigt, wie wichtig unsere Gefühle sind und dass es andere Gesetzmäßigkeiten für die positiven Gefühle gibt. Beispielsweise haben Forscher herausgefunden, was Ehen und Beziehungen scheitern lässt. Das reicht jedoch noch nicht, um zu erklären, warum Ehen über Jahrzehnte glücklich verlaufen. Erst die Frage und die Forschung, was zum Gelingen führt, enthüllt die Hintergründe. Genau solche Fragen stellt und erforscht die Positive Psychologie.
Missverständnis 4: Dann muss es auch eine negative Psychologie geben. Falsch: Es gibt keine negative Psychologie. Der Begriff „positiv“ soll darauf hinweisen, dass es um die Aspekte geht, die ein positives, glückliches, gelingendes Leben ermöglichen.
Was sind die Grenzen der Positiven Psychologie?
Auch wenn die Wissenschaft sehr deutlich nachweisen kann, welche Prinzipien und Strategien zu mehr Lebenszufriedenheit und -glück führen, so bedeutet dies nicht, dass dadurch das Leben nur noch „im 7. Himmel“ abläuft. Erfahrungsgemäß gehören Herausforderungen und negative Gefühle ebenfalls zum Leben. Die Positive Psychologie kann jedoch zeigen, wie wir Täler schneller wieder verlassen, wie wir solche Ereignisse als Lern- und Entwicklungschancen begreifen können und wie wir insgesamt mehr Bewusstsein und Lebendigkeit in unser Leben bringen.
Die Positive Psychologie zeigt uns vielleicht das beste und fundierteste Wissen, das wir derzeit zur Lebensgestaltung nutzen können. Wir sollten jedoch weder glauben, dass es keine Täler und Dellen mehr gibt, noch sollten wir glauben, dass wir Glück dadurch erzwingen können.